![Philippe Merk (r.) und Sebastian Bürgin, alias Baschi, auf dem schicken Chesterfield Sofa im Aufnahmeraum. (Bild: Kathrin Brunner)]()
Philippe Merk (r.) und Sebastian Bürgin, alias Baschi, auf dem schicken Chesterfield Sofa im Aufnahmeraum. (Bild: Kathrin Brunner)
Mit einem Lächeln im Gesicht läuft uns Philippe Merk entgegen. Ein sympathischer Typ mit kinnlangem Haar und Viertagebart, die Arme von kunstvollen Tatoos geziert. «Habt ihr keinen Parkplatz vor der Haustür gefunden?» – Ehrlich gesagt sind wir erst einmal dran vorbeigefahren. Das kleine Schild, auf dem «Rebel Inc.» steht, ist von der Strasse aus leicht zu übersehen. Umso beeindruckender zeigt sich das Tonstudio von Innen. In nur sieben Monaten haben er und Sebastian Bürgin, alias Baschi, die ehemaligen Räumlichkeiten einer Stoffverarbeitungsfabrik inmitten eines Basler Wohnviertels komplett verwandelt. «Wir haben alles selbst gemacht», erzählt er. «Von neuen Fussböden, über Steckdosen montieren und Kabel verlegen, bis hin zu manchen Wänden, die wir nachträglich eingezogen haben. Seit knapp einem Jahr sind wir nun eingerichtet.»
Echte Detailarbeit
Dass hier Musik gelebt wird, zeigt die Liebe zum Detail: Im Eingangsbereich hängt stolz das Firmenlogo an der Wand, darunter steht ein grosser schwarzer Sitzungstisch. Links daneben fällt die kleine aber feine Hausbar ins Auge. Die Küche mit dem schwarz-weiss gekachelten Boden und den Auszeichnungen an der Wand wird von einer alten Strassenlaterne erleuchtet. Neben den schicken Büros liegt der Regieraum, ausgestattet mit Computern, Mischpulten, Geräten mit haufenweise Knöpfen und Reglern, dahinter lugen einige Gitarrenhälse hervor. Ein grosses Fenster eröffnet den Blick in den imposanten hellen Aufnahmeraum – mittendrin steht ein weisser Flügel.
Hier also verbringt Philippe einen Grossteil seiner Zeit. Hier arbeitet er, schreibt Songs, komponiert Melodien, formt Beats am Computer, füllt Tonträger mit neuem Sound. Zwischendurch rockt er an rund 60 Konzerten im Jahr als Gitarrist mit Sebastian die Bühnen. Talent, Wille und Ehrgeiz haben ihn hierher geführt: Von Tägerwilen, wo er aufgewachsen ist, in eine Stadt mit ausgeprägter Musikszene.
![Der Aufnahmeraum. (Bild: zvg)]()
Der Aufnahmeraum. (Bild: zvg)
«Ich hab geübt wie blöd»
Ganz der Gentleman, macht Philippe nach der Führung durchs Studio erst mal Kaffee und gesteht: «Ich bin noch etwas müde, gestern waren wir seit langem mal wieder unterwegs.» Fürs Protokoll: Es ist 14.30 Uhr. Er muss lachen und erklärt: «Das braucht es zwischendurch. Wir sitzen manchmal mehrere Tage am Stück hier drin und arbeiten, das macht irgendwann meschugge.» Dann lässt er sich in eines der bequemen Ledersofas fallen, welche im extra eingerichteten Raucherraum stehen. Hier gibt es sogar einen Abzug, das Licht ist gedämpft, in der Ecke rechts oben werfen drei Diskokugeln Muster an die Wand. Philippe steckt sich eine Zigarette an, stützt die Ellenbogen auf die Knie und erzählt: «Ich hab früh gemerkt, dass ich Musik machen möchte. Mit elf ging ich zum Gitarrenunterricht. Da hat’s mich gepackt und ich hab geübt wie blöd. Ans Üben musste man mich nie erinnern, eher daran, dass ich zwischendurch noch zur Schule gehen musste.»
Das erste Exemplar
Mit welcher Leidenschaft er schon damals Gitarre spielte, lässt die Passion erahnen, mit der er über sein erstes Exemplar spricht. «Eine eigene Gitarre zu haben, das war schon ein geiles Gefühl. Meine Eltern haben sie mir geschenkt. Eigentlich war es eine Schrottgitarre», sagt er und muss lachen. «Aber es war die erste und damit die interessanteste. Heute habe ich so viele Gitarren – aber mit der ersten Gitarre ist es wie mit der ersten Liebe.» Heute hat er sie nicht mehr, diese erste Liebe. Er hat sie vor langer Zeit einem Kollegen verkauft, weil er Geld gebraucht hat. «Wirklich scheisse», rutscht es ihm raus und zeigt damit seinen Frust über diese Entscheidung. «Nein echt. Ich hätte sie gerne noch. Habe auch schon ein paar Mal versucht sie ausfindig zu machen. Aber sie ist immer weiter gewandert und jetzt weiss keiner mehr, wo sie gelandet ist.»
![(Bild: zvg)]()
(Bild: zvg)
In den Anfängen aber hat sie ihn begleitet. Mit Kollegen, die meist älter waren, trifft sich Philippe in seiner Jugend zu Sessions in einem Proberaum. Und wie viele Jungen, die davon träumen Musiker zu werden, spielt er in einer Band – «Cassiopeia». «Wir haben sogar mal einen Talentwettbewerb in Amriswil gewonnen.»
Aber Musiker? Manch einer habe ihm nach der Schule nahe gelegt, doch lieber eine Ausbildung zu machen. Schreiner oder so. Mit 16 Jahren fängt er tatsächlich eine Lehre zum Landschaftsarchitekten an. «Habe aber nach einem halben Jahr wieder abgebrochen», lässt er uns wissen. «Ich wollte einfach lieber Musik studieren.» Den Segen seiner Eltern hat er, ein Stipendium, um dafür in die USA zu gehen, leider nicht. Der damals 18-jährige Philippe entscheidet sich für Zürich. An der Academy of Contemporary Music, kurz ACM, vertieft er sein Geschick an der Gitarre und studiert als Nebeninstrument Klavier.
Von ungenutzter Kreativität und dem Streben nach mehr
Um Geld zu verdienen gibt er nebenher Gitarrenunterricht an der Musikschule Kreuzlingen. Ein Job, den er auch lange nach Studienende noch betreibt. «Es hat mir Spass gemacht. Doch irgendwann mit Anfang 20 habe ich mich gefragt: War’s das schon? Beim Unterrichten kommt die eigene Kreativität viel zu kurz – und meine war lange noch nicht ausgeschöpft. Da war mir klar, dass ich nochmals ernsthaft versuchen muss, dem Musik-Machen richtig nachzugehen. Von einem Tag auf den anderen hab ich dann gesagt: Finito. I verpiss mi.»
Während Philippe erzählt, verrät sein Blick, wie sehnsüchtig er damals nach mehr strebte. Und wie froh er ist, den Schritt gegangen zu sein. Dieser führt ihn in die drittgrösste Stadt der Schweiz, nach Basel.
Hier arbeitet er für verschiedene Studios, macht grössere und kleinere Projekte mit diversen Künstlern, darunter auch internationale Acts wie zum Beispiel «Delinquent Habits», eine Latin-Hip-Hop-Gruppe aus Los Angeles.
![Auf der Bühne. (Bild: zvg)]()
Auf der Bühne. (Bild: zvg)
«Eigentlich bin ich ein Freak»
Hauptsächlich spielt er für Platten die Gitarre ein – und er beginnt Platten zu produzieren. Die ganze Technik und ihre Möglichkeiten haben ihn fasziniert, sagt er. «Ich hab ja alles mitbekommen, vom Kassettengerät über Mini-Disk bis zu den heutigen Programmen, in denen du am Computer 200 Spuren auf einmal aufnehmen kannst.» Er sinniert kurz über das Gesagte und meint: «Eigentlich bin ich ein totaler Freak. Die ganzen Geräte und Plug-Ins – ich find’s huere geil.»
Ebenso mag er es, sich auf dem breiten Feld der Musikstile auszutoben. «Jede Richtung inspiriert mich. Egal ob Polka, Hip Hop, House oder Rock.» Okay, wie wäre es mit einem House-Beat? «Kein Problem, ich kann dir genau sagen, welche Elemente es dafür braucht.»
Das Projekt «Baschi-Band»
2003 bekommt Philippe dann ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Sebastian Bürgin war gerade beim TV-Format «MusicStar» als Sechstplazierter ausgeschieden. Dennoch blieb er im Musikrummel präsent und wurde sogar von der Plattenfirma Universal Music unter Vertrag genommen. Deren Auftrag an Philippe: Für Baschi eine Band zusammenzustellen. Nur Mundart? «Das lag mir erst nicht so. Aber mir ist klar geworden, wenn ich von der Musik leben will, muss ich etwas tun. Schliesslich war es eine grosse Chance. Und Sebastian und ich haben uns vom ersten Moment an gut verstanden.» Dass der Kern der Band heute noch besteht, mache ihn stolz, selbstverständlich sei es nämlich nicht.
Über die Jahre hat sich zwischen den beiden Musikern eine wahre Männer-Freundschaft entwickelt. «Wir machen fast alles gemeinsam. Vom ersten Ton eines neuen Songs bis zum Abschluss einer CD hocken wir ziemlich viel zusammen – zehn Jahre jetzt schon», sagt Philippe. «Das funktioniert gut», wirft Sebastian ein, der sich mit einer Dose Cola in der einen Hand und einer glimmenden Zigarette in der anderen neben Philippe aufs Sofa setzt. Er lacht und witzelt: «Mir sind ja au keine Wiieber – das ist irgendwie eine andere Chemie. Nein ehrlich, wir kommen gut klar. Auf meinem Weg sind immer wieder Leute gekommen und gegangen und Philippe ist auch nach zehn Jahren noch da. Er ist sehr fokussiert und ehrgeizig, das schätze ich an ihm. Vor allem auch seine gute Einstellung zur Musik und zum Leben. Und man kann mit ihm super Party machen – das soll an dieser Stelle auch mal erwähnt sein.»
![(Bild: zvg)]()
(Bild: zvg)
Grinsend, und damit sichtlich erfreut über die Worte seines Kollegen, ergänzt Philippe: «Ja ich bin schon sehr easy, aber wenn’s ums Arbeiten geht, dann gibt es auch eine andere Seite an mir. Ich bin nicht immer der Angenehmste, wenn ich merke, dass jemand faul ist und seinem Zeug nicht nachkommt.»
Chance für junge Musiker
Ein Höhepunkt der Freundschaft und der Zusammenarbeit ist die Gründung von «Rebel Inc.» vergangenes Jahr. Das eigene Studio, in das Philippe und Sebastian ihr ganzes Erspartes gesteckt haben, ermöglicht es ihnen, flexibel zu arbeiten. Keine Zeiten mehr, nach denen sie sich richten müssen, wie zuvor, als sie noch in einem Tonstudio eingemietet waren. Neben Konzerten ist es ein zweites Standbein, um sich auf dem harten Musikmarkt behaupten zu können. Gerade heute, da viele Leute die Songs einfach und lieblos von zahlreichen Internetportalen ziehen. Doch Philippe lässt sich davon nicht entmutigen: «Man muss einfach durchhalten. Mit etwas Kampfgeist und Mut wird man auch belohnt. Immerhin gehöre ich heute zu den Privilegierten, die von der Musik leben können.»
Bei «Rebel Inc.» werden aber nicht nur neue Songs für Baschi geschrieben und produziert. Philippe und Sebastian unterstützen hier junge Musiker, entdecken neue Talente, nehmen die unterschiedlichsten Stilrichtungen auf – vielseitig eben.
Thurgau, seine Heimat
Philippe fühlt sich sichtlich wohl in seinem Studio in Basel. Wird es aber doch mal zu viel, reagiert er sich beim Thai-Boxen ab. «Oder ich geniesse die Auszeit, wenn ich zwischendurch Zuhause in Tägerwilen bin, meine Mutter und meine Schwester besuche. Hier habe ich auch noch sehr gute Freunde. Und es ist immer was los», erzählt er. «Ich freue mich auch schon auf den Sommer und den See. Wakeboarden mit meinem Vater und mit Freuden und einfach mal wieder ein Lagerfeuer machen, Bierle trinken und Gitarre spielen.»
Ja die Gitarre, Philippes ständige Begleiterin. Mit ihr hat alles angefangen. Blickt er in die Zukunft, wird er sie auch nicht mehr aus der Hand geben. «Ich möchte nichts anderes machen, die Leidenschaft ist zu gross. Vielleicht irgendwann, wenn ich alt bin und merke, dass es die letzte Möglichkeit ist, vielleicht gebe ich dann wieder Gitarrenunterricht», sagt er und lächelt. «Aber noch ist das für mich keine Option.»
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Wer mehr über Philippe Merk erfahren möchte wird hier fündig:
www.rebel-inc.com
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